Soziale Politik & Demokratie

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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 270 | 12. Januar 2012 | Seite 3 | Zur Diskussion

Das Jahr 2012 – Im Zeichen eines doppelten Diktats?

Seine „Ansprache zu Weihnachten“ geriet Arbeitgeberpräsident Hundt zu einem ungeschminkten Aufruf an die arbeitende Bevölkerung, sich in dem beginnenden Jahr 2012 dem doppelten Diktat der Fortsetzung eines verschärften Schuldenabbaus, und angesichts der heraufziehenden Rezession einem verschärften Druck zur Senkung der „Kosten der Arbeit“ und der Arbeitsplatzvernichtung, zu unterwerfen

Von der Regierung fordert er den konsequenteren „entschiedenen politischen Willen zum Abbau von Schulden“ und mahnt entschlossenere Schritte zu weiterer sozialer Demontage und Lohnabbau an.

Er lädt die Regierung und die Gewerkschaften zu einem erneuten „gemeinsamen Krisenmanagement“ ein, gestützt auf die Fortsetzung der Regelung für das erweiterte Kurzarbeitergeld. Die Arbeitnehmer haben ihre Erfahrung gemacht und wissen, was es bedeutet, wenn ihre Gewerkschaft erneut in die „Sozialpartnerschaft“ und das „gemeinsame Krisenmanagement“ gezogen wird: soll das wieder Lohnverzicht und eine weitere Aushöhlung des Flächentarifvertrags bringen, weitere zig-Milliarden aus einer das letzte Mal schon geplünderten Sozialkasse für die Subventionierung der Kurzarbeit zur Rettung des Unternehmerprofits,... und schließlich den erneuten massiven „sozialverträglich gestalteten“ Abbau der Arbeitsplätze?

Von den Tarifvertragsparteien, d.h. besonders von der IG Metall, erwartet Hundt im Namen einer moderaten Tarifpolitik „eine Fortsetzung der sehr differenzierten, produktivitätsorientierten und flexiblen Tarifpolitik der letzten Jahre“.

Gleichzeitig lehnt auch Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser „dauerhafte Lohnzuwächse“ strikt ab: statt einer Tariflohnerhöhung solle es Einmalzahlungen geben. Für das Jahr 2012 müsse es eine „Verstetigung der Lohnentwicklung“ geben, d.h. mindestens der Stagnation, in Wirklichkeit aber eine Senkung der realen Tariflöhne.

Mit direkten Warnungen vor zu hohen Lohnforderungen drohen ebenso die öffentlichen Arbeitgeber, Bund und Kommunen. Angesichts der „leeren Kassen“ und des Diktats der „Schuldenbremse“ und Haushaltskonsolidierung seien Forderungen der Gewerkschaften von 6,1 bis 7% „nicht zu machen“.

Die Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst wie in der Industrie wollen nach langen Jahren des Lohnverzichts, des Reallohnrückgangs an ihrer Forderungen nach einer kräftigen Reallohnerhöhung festhalten.

Doch liegt es nicht auf der Hand, dass die berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer nach einem Lohn, der ihnen und ihren Familien ein menschenwürdiges Leben garantiert, nicht durchgesetzt werden können, wenn gleichzeitig das Diktat des Schuldenabbaus, der Schuldenbremse akzeptiert wird?

Wenn gleichzeitig akzeptiert wird, dass die Arbeitnehmer im Namen des Diktats der Krise und Wettbewerbsfähigkeit noch einmal mit Lohnverzicht und Arbeitsplatzverlust zahlen sollen – während die Konzerne Milliarden-Gewinne verbuchen?

Angesichts dieser Situation haben die Kollegen im Öffentlichen Dienst betont, dass sie das Argument der „leeren Kassen“ nicht akzeptieren können und dass es kein „Zurückweichen“ geben darf.

Sie erleben, dass die SPD-Führung im Bund wie in den Ländern im Namen des Schuldenabbaus und der Krise von der Bundesregierung einen „schnelleren Defizitabbau und die Einhaltung der Schuldenbremse“ fordert; und dass die SPD-Verantwortlichen in den Ländern die eifrigsten Verfechter in der Erzwingung der Schuldenbremse sind, eine Politik, die die arbeitende Bevölkerung mit einer noch rigoroseren Sparpolitik bezahlen muss.

Kein Arbeitnehmer kann von dieser SPD-Führung, die mit der Agenda 2010 verantwortlich geworden ist für die Eröffnung der zerstörerischen Offensive zur Zersetzung der Flächentarifverträge und für die Entstehung und eines breiten Niedriglohnsektors, die Verteidigung ihrer Löhne und Flächentarifverträge erwarten.

Aber haben die Arbeitnehmer nicht auch erlebt, dass ihre Gewerkschaftsführungen, die einerseits betonen, dass die Arbeitnehmer weder verantwortlich seien für die Verschuldung noch für die Krise und es ablehnen dafür zu zahlen, andererseits mit dem Ja zum Euro-Rettungsschirm EFSF der Regierung Merkel und der Troika geholfen haben, immer neue Milliarden an die Banken und Investitionsfonds zur Bedienung ihrer Forderungen und Zinsgewinne aufzubringen, während zugleich den Arbeitnehmern und Völkern mit brutalen Programmen der Massenverarmung noch weitere Milliarden für die Bedienung der Gläubiger-Banken abgepresst werden.

War es nicht der gleiche IG Metallvorsitzende Huber, der auf dem letzten IG Metall-Kongress angesichts der heraufziehenden Krise „moderate Tarifforderungen“ angemahnt hat - und dann den Abbruch des Streiks der kampfbereiten Stahlkollegen und eine „Einigung“ auf 2,2% Lohnerhöhung zu verantworten hat, durch die kaum der Reallohn verteidigt werden kann?

Und warum betont Frank Bsirske, der sich einerseits hinter die Forderung der Kollegen nach „einer ordentlichen Erhöhung ihrer Löhne und Gehälter“ und damit hinter die 6-7%-Forderung stellen muss, andererseits die Notwendigkeit einer „Orientierung der Tarifforderungen an der gesamtwirtschaftlichen Produktivität“?

Deshalb haben diese Kollegen mit ihrer Erklärung Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten eingeladen, sich mit ihnen in politischen Initiativen für unabhängige Arbeitnehmerpolitik zu versammeln, um das gemeinsame Eingreifen für die Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen zu verstärken, die allein die Kampfkraft entfalten kann, die für die Verwirklichung dieser Forderungen notwendig ist.

Carla Boulboullé


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