Soziale Politik & Demokratie

Für unabhängige Arbeitnehmerpolitik • Für die soziale Einheit

Zur Diskussion
<<< Nr. 273

Zur Diskussion
>>> Nr. 271

Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 272 | 9. Februar 2012 | Seite 3 | Zur Diskussion

„Demokratie statt Bankenmacht”?

Unter diesem Titel startet der SPD-Vorstand auf seiner Webseite einen „aggressiven Anti-Banken­Wahlkampf" (Handelsblatt, 7.2.2012).

Im neuesten Wahlkampf-Spot der SPD heißt es: „Die Welt von heute ist ein Tisch, an dem wenige auf Kosten der Allgemeinheit ihr Spiel betreiben, wo die Zocker der Finanzmärkte Menschen und Demokratie zum Spielball machen".

Wem wollen sie eigentlich mit diesem Wortgeklingel noch etwas vormachen?

War es nicht die SPD-Führung, die die SPD-Bundestagsabgeordneten massiv unter Druck gesetzt hat, damit sie mit ihrem Ja zum EFSF Milliarden-Rettungsschirm für Banken und Investitionsfonds und seinen „strengen Auflagen" die Politik der Kanzlerin Merke! unterstützen? Einer Politik, die den erpresserischen Anforderungen der Finanzmärkte gehorchend und unter dem Diktat der „Troika" aus EU, IWF und EZB, den Völkern Sozialkahlschlagprogramme diktiert?

Und hätte die SPD-Führung nicht jetzt die Gelegenheit, ihren Klagen „gegen verantwortungslose Zocker in den Banken" Taten folgen zu lassen?

Noch im Februar muss die Regierung Merke! die Abstimmung zu dem zweiten Griechenland-„Rettungspaket” durch den Bundestag peitschen, d.h. neue 130 Milliarden für die Bankenzocker — für die ein ganzes Volk mit einem in der Nachkriegsgeschichte einmaligem Sozialkahlschlagprogramm zur sozialen Verelendung verurteilt und das Land in den Ruin getrieben wird. Alle drei Regierungsparteien Griechenlands wurden von der Troika, die auch die letzten Reste nationaler Souveränität und Demokratie beiseite fegt, ultimativ aufgefordert, eine 15 Seiten starke Liste von Sparauflagen zu unterschreiben:

u.a. Lohnkürzungen in der Privatwirtschaft bis zu 25% und Aufhebung der Tarifverträge;

Senkung des Mindestlohns von 751 Euro brutto auf 590 Euro;

Entlassung von 15.000 Staatsbediensteten noch in diesem Jahr und 150.000 bis 2015;

Abschaffung des 13, und 14. Monatsgehalts, trotz ohnehin schon kärglicher Löhne;

Griechische Bedienstete sollen ihren Kündigungsschutz verlieren...

Nachdem Merkel mit ihrem Vorschlag eines Sparkommissars für Griechenland an der Empörung der Völker Europas gescheitert ist, fordert sie jetzt mit dem französischen Präsidenten Sarkozy ein „Sperrkonto für alle griechischen Staatseinnahmen", um den reibungslosen und pünktlichen Abfluss der Milliarden an die Bankenzocker sicher zu stellen.

Ende März beginnen im Bundestag die Beratungen zum Rettungsschirm ESM, der ab Juli wirksam werden soll. Der ESM, der zunächst 500 Mrd. Euro umfasst und faktisch jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen ist, soll dauerhaft und beliebig erweiterbar „fresh money" für die Schuldendienste an die Banken und Spekulanten garantieren.

Und in Verbindung mit dem ESM steht der Fiskalpakt zur Abstimmung, der die EU-Institutionen mit immer größeren diktatorischen Vollmachten ausstatten soll, auf Kosten wesentlicher Elemente der nationalen Souveränität und Demokratie. Alle Euro-Staaten sollen verpflichtend eine strikte Schuldenbremse einführen und die EU maßt sich Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte an.

Doch in Bezug auf alle diese anstehenden Entscheidungen hat die SPD-Führung der Kanzlerin Merkel ihre weitere und zuverlässige Unterstützung für die Umsetzung dieser Politik signalisiert:

SPD-Generalsekretärin Nahles fordert die Bundeskanzlerin Merkel auf, die griechischen Konservativen zur Aufgabe ihrer Blockade gegen die Spardiktate zu bewegen. Martin Schulz, SPD und z.Z. Präsident des Europaparlaments, hat „ausdrücklich alle" griechischen Parteien aufgerufen, die Forderungen der Troika zu erfüllen und sich auf ihre Umsetzung zu konzentrieren.

Bezüglich des Fiskalpaktes wirft die SPD-Führung Merkel noch vor, dass er viel weicher sei als von
ihr versprochen. Auf dem EU-Gipfel am 30. Januar in Brüssel sei sie mit zentralen Forderungen wie automatischen Sanktionen für Haushaltssünder und einem Klagerecht der EU-Kommission bei Verstößen gegen den Pakt gescheitert.

Die SPD-Führung stellt also eindeutig klar, dass sie die Politik der Regierung Merkel und der Troika, der alle Völker Europas unterworfen werden sollen und die dafür mit der nationalen Souveränität und Demokratie aufräumen will, nicht nur unterstützt sondern gegebenenfalls sogar noch schärfere Maßnahmen fordert.

Wer macht denn hier „die Menschen und Demokratie zum Spielball der Zocker der Finanzmärkte"?

Ist nicht zu erwarten, dass die SPD-Führung erneut die SPD-Bundestagsabgeordneten unter Druck setzen wird, damit sie für die schamlose Bedienung der Zocker und Finanzmärkte Ja sagen zum Griechenland-Paket, zu ESM und Fiskalpakt?

In dieser Situation ist es nur verständlich, dass sich die Augen der Arbeitnehmer auf die Verantwortlichen der DGB-Gewerkschaften richten. Denn hatten nicht die Vorsitzenden aller Einzelgewerkschaften gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden Sommer, sowie vorher schon Sommer mit dem Arbeitgeberpräsidenten Hundt, in einem dramatischen Aufruf an die Bundestagsabgeordneten appelliert, dem Rettungsschirm EFSF zuzustimmen und damit der Regierung Merkel, EU und IWF zu helfen, die Milliarden-Forderungen der Finanzmärkte zu bedienen und den Völkern ihre grausamen Spardiktate aufzuzwingen?

Die Arbeitnehmer, die Gewerkschaftskollegen waren empört und ohne jedes Verständnis dafür, dass ihre Gewerkschaftsführungen, die den Auftrag haben, Interessensvertretung der Arbeitnehmer zu sein, sich in den Dienst der Interessen der Banken und Spekulanten stellen, wofür die Arbeitnehmer bluten müssen.

Die Arbeitnehmer können es nicht akzeptieren, wenn heute die Regierung Merket und das Kapital im Namen des Schuldenabbaus und der Wettbewerbsfähigkeit (der Unternehmerprofite) auf „moderate Lohnforderungen" drängen und Arbeitsplatzvernichtung diktieren wollen.

Ihr Auftrag an die Gewerkschaften ist: Organisierung des gewerkschaftlichen Kampfs/Streiks für die Durchsetzung ihrer Forderungen nach „kräftigen Reallohnerhöhungen" und für die Verteidigung aller Arbeitsplätze.

Die Berliner Kollegen der Redaktion „Soziale Politik & Demokratie" schlagen allen Teilnehmen und Unterstützern der Nationalen Konferenz am 10.12. in Berlin vor, im Namen des Schutzes der Arbeitnehmerinteressen und Demokratie gemeinsam die Initiative zu ergreifen für eine Erklärung und Kampagne gegen die Durchpeitschung der politischen Diktate von Merkel, EU und IWF:

Sozialdemokratische Abgeordnete, die sich auf die Arbeitnehmerinteressen und Demokratie berufen, die nicht wollen, dass die „Zocker der Finanzmärkte Menschen und Demokratie zum Spielball machen", können dem „Rettungspaket" gegen Griechenland, dem ESM und Fiskalpakt nur ihre Zustimmung verweigern.

Die Gewerkschaftsführungen haben, ihrem Auftrag als Interessensvertretung der Arbeitnehmer entsprechend, die Verantwortung, alle ihre Möglichkeiten wahrzunehmen, um ihre Verurteilung dieser von Merkel vorangetriebenen Politik zu erklären, auf deren Zurückweisung zu drängen und für Nein im Bundestag einzutreten.

Carla Boulboullé


<<  Zur Diskussion – Nr. 273  |   Zur Diskussion – Nr. 271  >>