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Erklärung: Nein zum ESM und Fiskalpakt

Am 27. Februar hat die Regierung Merkel das zweite Griechenland-»Rettungspaket« in einer Eilabstimmung durch den Bundestag gepeitscht. Zu ihrem Antrag gehörte eine 726-seitige Anlage, in der alle brutalen Sparmaßnahmen gegen das griechische Volk aufgeführt werden und die den Abgeordneten am 24.2. (!) zugeleitet wurde.

Neue 130 Milliarden für die Banken und Investitionsfonds – für die ein ganzes Volk mit einem in der Nachkriegsgeschichte einmaligem Sozialkahlschlagprogramm zur sozialen Verelendung verurteilt und das Land in den Ruin getrieben wird. Die beiden Regierungsparteien Griechenlands – PASOK und Nea Dimokratia – haben das Ultimatum der Troika, was auch die letzten Reste nationaler Souveränität und der Demokratie beiseite fegt, unterzeichnet und sich verpflichtet, die Sparauflagen auch nach der Wahl dem griechischen Volk aufzuoktroyieren — ein Diktat, gegen das sich ein ganzes Volk, die Arbeiterschaft mit ihren Gewerkschaften in immer neuen Wellen von Streikbewegungen und Generalstreiks erhebt.

Damit haben die Abgeordneten mit ihrem Ja folgende Maßnahmen beschlossen:

Alle Staatseinnahmen sollen auf ein »Sperrkonto« fließen, um die Forderungen der Banken und der Spekulation pünktlich zu bedienen; das Parlament wird zu einer bloßen Agentur der 1:1-Umsetzung der Diktate der Troika degradiert.

Im März kommt der »Euro-Rettungsschirm« ESM (Vertrag über den »Europäischen Stabilitätsmechanismus«) in den Bundestag, der ab Juli 2012 wirksam werden soll. Der ESM, der zunächst 500 Mrd. Euro umfasst und faktisch jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen ist, soll dauerhaft und beliebig erweiterbar Milliarden-Staatsgelder für die Schuldendienste an die Banken und Spekulanten garantieren.

Der ESM gibt der EU-Kommission die Macht, „im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF" (Art. 13,3) allen Ländern »Anpassungsprogramme« aufzuerlegen, d.h. Privatisierungen, Lohn- und Rentenkürzungen, tiefe Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme, in das Tarifrecht und die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte.

Der ESM ist untrennbar verbunden mit dem sog. Fiskalpakt (»Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion«). ESM und Fiskalpakt sollen die EU-Institutionen mit noch größeren diktatorischen Vollmachten ausstatten, auf Kosten der nationalen Souveränität und Demokratie. Die EU erhält Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte; alle Euro-Staaten sollen einem strikten Diktat des Schulden- und Defizitabbaus unterworfen werden. Sie sollen verpflichtet werden, eine Schuldenbremse dauerhaft und verbindlich gesetzlich, mit Verfassungsrang, zu verankern (vom EuGH überwacht und mit Geldbußen sanktioniert). Bei einem Schuldenstand von über 60 % des BIP (was für fast alle Länder zutrifft) müssen jährlich 5% der Differenz zur 60%-Marke abgebaut werden. Das bedeutet nach Berechnungen des DGB für Deutschland zusätzliche Sparmaßnahmen von 30 Mrd. Euro.

Die Verabschiedung der beiden Verträge würde das Sozialkahlschlagprogramm, das heute dem griechischen Volk diktiert wird, auf ganz Europa ausdehnen. Diese Diktate der Troika aus EU, EZB und IWF sind eine wahre Kriegserklärung gegen alle Arbeitnehmer und Völker Europas.

„Wir können und wollen nicht akzeptieren, dass die aktuelle SPD-Führung im Namen einer Partei, die für viele Generationen von Arbeitnehmern den Platz der historischen Arbeiterpartei in Deutschland einnahm, selbst aus der »Opposition« heraus der Regierung Merkel und der Diktatur der EU die volle Unterstützung für ihre schändliche Politik bietet", haben wir, Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten, in unserer Erklärung des Nationalen Treffens am 10.12.1012 in Berlin geschrieben — anlässlich der unter massivem Druck von der SPD-Führung aufgezwungenen Zustimmung der SPD-Fraktion zum EFSF Milliarden-Rettungsschirm für die Banken und Investitionsfonds und seinen „strengen Auflagen".

Doch erneut müssen wir erleben, dass die SPD-Führung der Regierung Merkel die politische Unterstützung für die Durchsetzung des »zweiten Griechenlandpakets« gewährt hat.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Steinmeier, hat wiederholt die Aufstockung des ESM, der "zu knapp gestrickt" sei, gefordert. Er formuliert an die Adresse der Regierung gerichtet, was Obama in Permanenz von Kanzlerin Merkel verlangt: Mehr, viel mehr Milliarden für die Rettung der Banken und Spekulanten zur Verfügung zu stellen.

Die SPD-Führung stellt eindeutig klar, dass sie die Politik der Regierung Merkel und der Troika, der alle Völker Europas unterworfen werden sollen und die dafür mit der nationalen Souveränität und Demokratie aufräumen will, nicht nur unterstützt, sondern ge gebenenfalls sogar noch schärfere Maßnahmen fordert; so wie sie die „Bereitschaft der Griechen zu schmerzlichen Veränderungen" anmahnt.

SPD-Abgeordnete, die sich auf die Demokratie und Arbeitnehmerinteressen berufen, können dem ESM und Fiskalpakt nur ihre Zustimmung verweigern. So wie Klaus Barthel, designierter AfA-Bundesvorsitzender, der mit den Worten, „ich bin nicht bereit, diesen Weg der Bundesregierung und der EU-Kommission mitzugehen" am 27.2. zum »2. Griechenlandpaket« Nein gesagt hat - wie sechs weitere SPD-Abgeordnete.

Es ist zu erwarten, dass die SPD-Führung erneut die SPD-Abgeordneten unter Druck setzen wird, damit sie nach dem Ja zum »2. Griechenland-Paket« auch Ja sagen zu ESM und Fiskalpakt.

Abgeordnete, die Ja sagen zum ESM und Fiskalpakt lassen sich zu Komplizen des Kapitals und der öffentlichen Arbeitgeber machen, die den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und der Metallindustrie das Recht auf ihre Forderung nach „kräftigen Reallohnerhöhungen“ absprechen.

Die Unabhängigkeit der Gewerkschaften ist in Gefahr

Unter dem Motto, die „Rolle der Sozialpartner zu beachten“, sollen die Gewerkschaften in die Umsetzung dieser zerstörerischen Politik eingebunden werden. In der Präambel des Fiskalvertrags ist wörtlich festgehalten, dass „bei der Umsetzung dieses Vertrages die spezifische Rolle der Sozialpartner, wie von den Gesetzen oder dem nationalen System der jeweiligen Vertragspartei anerkannt, zu beachten ist…“

In dieser Situation ist es nur verständlich, dass sich die Augen der Arbeitnehmer auf die Verantwortlichen der DGB-Gewerkschaften richten, deren Vorsitzende gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden Sommer, sowie vorher schon Sommer mit dem Arbeitgeberpräsidenten Hundt, in einem dramatischen Aufruf an die Bundestagsabgeordneten appelliert hatten, die Regierung Merkel zu unterstützen und dem Rettungsschirm EFSF zuzustimmen — den weiteren Milliarden zur Bedienung der Finanzmärkte und grausamen Spardiktaten für die Völker.

Nach den breiten Protesten, die diese Appelle der Gewerkschaftsvorsitzenden ausgelöst hatten, haben sie zur Abstimmung am 27. Februar geschwiegen. Notwendig wäre — schon allein im Interesse der Arbeiterschaft Griechenlands - ihr energisches Nein zum 2. Griechenlandpaket gewesen.

Wenn Sommer in seinem Interview mit „Bild“ (13.2.2012) noch immer diesen „Kurs der Euro-Rettung grundsätzlich unterstützen" will, spricht er nicht im Namen der Millionen Gewerkschaftsmitglieder und Arbeitnehmer, die ihre Gewerkschaften brauchen für ihren Kampf gegen das Diktat der »Schuldenbremse«, der Krise und Wettbewerbsfähigkeit - für die Verteidigung ihrer Errungenschaften, Löhne, Tarifverträge und Arbeitsplätze, der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte.

Die Forderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst nach „einer ordentlichen Erhöhung ihrer Löhne und Gehälter" – nach Jahren des Reallohnverzichts – ist unvereinbar mit einem Ja zum ESM und Fiskalpakt: „Die Schuldenbremse wird zu einer kommunalen Schuldenfalle, sie wird dazu führen, dass große Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht mehr aufrechterhalten werden können", (Claus Matecki, DGB-Vorstandsmitglied).

Die Arbeitnehmer können es nicht akzeptieren, wenn heute die öffentlichen Arbeitgeber und das Kapital im Namen des Schuldenabbaus, der „leeren Kassen", der Sparpolitik und der Wettbewerbsfähigkeit (der Unternehmerprofite) auf weitere „moderate Lohnforderungen" und Lohnverzicht drängen, die Millionen Arbeitnehmer in Billiglohnjobs zwingen und Arbeitsplatzvernichtung diktieren wollen.

Und die Verantwortlichen der DGB-Gewerkschaften haben, ihrem Auftrag als Interessensvertretungder Arbeitnehmer und Demokratie entsprechend, die Verantwortung, alle ihre Möglichkeiten wahrzunehmen, um ihre Verurteilung dieser von Merkel vorangetriebenen Politik zu erklären - einer Politik, die die nationale Souveränität und Demokratie zertrümmert, die den Arbeitnehmern zerstörerische Spar- und Lohnabbauprogramme, die Ausweitung des Niedriglohnsektors, die Zerschlagung ihrer gewerkschaftlichen Flächentarifverträge und der Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte diktiert. Sie haben die Verantwortung auf die Zurückweisung dieser antidemokratischen und arbeitnehmerfeindlichen Politik zu drängen und für ein Nein der Abgeordneten im Bundestag einzutreten.


Kein Abgeordneter kann im Namen der Demokratie und des Sozialstaats sprechen, wenn er nicht seine Stimme erhebt gegen ESM und Fiskalpakt, Verträge, die die Verfassungsgrundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates umstürzen.

Abgeordnete, die sich auf die Demokratie und die Interessen der arbeitenden Bevölkerung berufen, können nur Nein sagen zu den immer neuen Milliarden für Banken und Spekulanten, zu den mörderischen Spardiktaten, die alle Länder Europas in ein Chaos stürzen werden, das dem Griechenlands vergleichbar ist.

Das ist der Weg,

in Solidarität und Einheit mit den griechischen, spanischen, portugiesischen... mit allen Arbeitnehmern Europas den Kampf aufzunehmen

März 2012


Kontakt:

G. Krupp, E-Mail: GotthardKrupp@t-online.de; Fax: 030.3131662

H.-W. Schuster, E-Mail: grotjohann.schuster@t-online.de; Fax: 0211.15803353

 


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