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Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 261 | 4. August 2011 | Seite 3 | Zur Diskussion

Keine Legitimation für Zustimmung!

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten haben sich auf dem Sondergipfel in Brüssel am 21. Juli 2011 auf ein zweites „Hilfspaket für Griechenland“ geeinigt:

Weitere109 Milliarden Euro wurden bereit gestellt, keineswegs als Hilfe für das griechische Volk, sondern zur Rettung der Forderungen der privaten Gläubiger, der Banken, Versicherungen und Investitionsfonds, während dem griechischen Volk ein Schuldenabbauprogramm und ein Sozialkahlschlag diktiert wird, der die breitesten Bevölkerungsschichten dem Schicksal der sozialen Verelendung ausliefern wird.

Es kann nicht überraschen, dass die Finanzmärkte ausgesprochen positiv auf die Gipfel-Beschlüsse reagiert haben und der Euro-Kurs stark angestiegen ist. Um die neuen Milliarden-Pakete vor der Bevölkerung zu legitimieren, inszenierten die Staats- und Regierungschefs, massiv unterstützt vom Chef der Deutschen Bank, Ackermann, eine wahre Schmierenkomödie, mit der sie die sog. Bankenbeteiligung präsentierten und feierten. Die privaten Gläubiger konnten aufatmen: 55 Mrd. Euro, d.h. die Hälfte der 109 Milliarden, werden schon allein zur Absicherung der nun länger laufenden Anlagen bereitgestellt. Bis zu 80% des Nennwerts werden den Banken mit Hilfe von Staatsgeldern für ihre Staatsanleihen garantiert, die auf den Märkten kaum mehr als 50% wert und von den Banken schon abgeschrieben waren. Für die Abschreibung der Barwerte kassieren die Banken obendrein noch „erstklassige“ Zinsen.

Und der Euro-Gipfel beschloss noch weitere Maßnahmen, um Banken, Versicherungen und Investitionsfonds vor Verlusten zu retten. Der Rettungsschirm EFSF wird abermals aufgestockt, bis er 2013 durch den ESM, einem dauerhaften, beliebig erweiterbaren Rettungsschirm abgelöst wird - um „dauerhaft“ „fresh money“ für die Rettung der Spekulationsgewinne zu garantieren - faktisch jeglicher parlamentarischen Kontrolle und damit demokratischer Legitimation entzogen. Außerdem wird der EFSF mit neuer Kompetenz ausgestattet und kann jetzt auf dem Markt Staatsanleihen kaufen, d.h. von privaten Investoren, die ihre fallenden Papiere loswerden wollen. Ökonomen warnen, dass die stärkeren Länder Europas, wie Deutschland, die für die Risiken des Anleiheankaufs der EFSF bürgen, bei den zu erwartenden ins unermessliche wachsenden Banken-Rettungspaketen schließlich auch „in die Knie gezwungen“ werden.

Darum auch das Zögern von Merkel, die, so das Handelsblatt vom 21.7., „immer drei Monate zu spät einen weiteren Trippelschritt“ geht. Sie treibt auch die Angst, dass mit dieser Politik der kurzfristigen Milliardenflutungen der Finanzmärkte die Krise nicht bezwungen, sondern auf Dauer vielmehr verschärft und die Ansteckungsgefahr für weitere Länder nur vergrößert werden könnte. Sie braucht die Zeit, um mit einer Hetzkampagne gegen die Südländer davon abzulenken und zu rechtfertigen, dass dem deutschen Volk für die weiter steigende Staatsverschuldung schon bald ein schärferes Schuldenabbauprogramm diktiert werden muss.

EU fordert schärferes Schuldenabbauprogramm für Deutschland

In der Tat, Brüssel drängt. Unmissverständlich hat der EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn von der Regierung Merkel ein radikales Schuldenabbauprogramm eingefordert, das bis Ende nächsten Jahres erledigt werden müsse. Dazu gehört: Die Verankerung der Schuldenbremse auf Länderebene; die Steigerung der Kosteneffizienz im Gesundheitswesen; weitere Anstrengungen auf dem Arbeitsmarkt zur Deregulierung der Arbeit und Senkung ihrer Kosten; die weitergehende Privatisierung und Liberalisierung des Öffentlichen Dienstes, u.a. mehr Wettbewerb im Schienenverkehr.

Für die Milliardenhilfen an die Banken und Finanzinvestoren muss Merkel der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland immer härtere Sparmaßnahmen und Antireformen aufzwingen, neue Zumutungen, für deren Durchsetzung sie noch unausweichlicher das Konsens-Angebot braucht, das ihr der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier schon bei der „Hilfe für Portugal“ und dem ersten griechischen Rettungspaket samt der jeweils strengsten Sparauflagen dargebracht hat.

In einem spektakulären Auftritt macht das SPD-Trio Steinmeier, Gabriel, Steinbrück, unmittelbar vor dem EU-Gipfel, Merkel das „Angebot für eine informelle Große Koalition zur Euro-Rettung“: „Sollte Merkel endlich die Kraft für unpopuläre aber notwendige Entscheidungen in der Schuldenkrise finden, würde die SPD sie mittragen“. (zit. nach Handelsblatt, 19.7. und 21.7.) Was ist das anderes, als die Aufforderung der SPD-Führung an die Regierung Merkel, sich endlich „sehr viel mutiger“ für die unpopulären, d.h. schmerzhaften Sparmaßnahmen zu entscheiden, die bald auch das deutsche Volk treffen werden, und damit verbunden die schändliche Zusage, dann voll dabei zu sein?

Die SPD-Führung drängt auf die Unterwerfung der von der Troika diktierten Politik der Milliarden-Staatsverschuldung für die Bankenrettung und des Schuldenabbaus gegen das Volk; einer Politik, die im Interesse der großen Akteure auf den Finanzmärkten, den Finanzagenturen, Banken und Investitionsfonds erpresst wird; und sie ist bereit, die Demokratie und die erkämpften sozialen Lebensverhältnisse der Arbeitnehmer und Völker diesem Diktat zu opfern.

Die Abstimmung über das neue Rahmenabkommen des EFSF (neue Kompetenzen) und die Ratifizierung des ESM-Vertrags, sowie die Stellungnahme der Abgeordneten zu dem „Rettungspaket für Griechenland“ sollen im September im Bundestag auf der Tagesordnung stehen.

„Wir Arbeitnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierte und Sozialdemokraten akzeptieren nicht, dass sich die Abgeordneten der SPD immer wieder der von der Parteiführung verordneten Disziplin beugen und einer Politik ihre Zustimmung geben, die allen historischen Zielen, für die diese SPD vor über 150 Jahren aufgebaut wurde, krass entgegengesetzt ist“, heißt es in dem Offenen Brief, der sich anlässlich der Bundestagsabstimmung „besonders an die Abgeordneten der SPD wendet, die sich auf die Arbeitnehmerrechte und die Demokratie berufen.“

Ist es nicht die „demokratische und soziale Pflicht“ eines jeden SPD-Abgeordneten, der sich nicht den Interessen des Finanzkapitals unterwerfen, sondern die Vertretung der sozialen Interessen der arbeitenden Bevölkerung und Jugend und der Demokratie zu seiner Aufgabe machen will, mit Nein – gegen das »Rettungspaket« gegen Griechenland und gegen die Rettungsschirme mit den „strengen Sparauflagen“ zu stimmen?!

Gleichzeitig rufen sie mit dem Offenen Brief alle Arbeitnehmer, alle gewerkschaftlich und politisch Engagierten auf, „mit uns dafür einzugreifen, dass die Gewerkschaften ihre Verantwortung für die Mobilisierung der organisierten Kraft der Arbeiterschaft, und mit ihr der Jugend, für diese Forderungen wahrnimmt“.

Carla Boulboullé


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